Sternocera aequisignata

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Der Aufwand zur Erstellung des Bildes dieses Blogeintrags beträgt mehrere Wochen.

Was in dieser Zeit alles passiert ist, worin die Schwierigkeiten bestanden und was ich – unter anderem vom Naturkundemuseum in London - über Insektenfotografie gelernt habe, möchte ich euch an dieser Stelle berichten.

Ich habe den Bericht über mein neuestes Projekt in drei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil geht es um die Lebensweise des abgebildeten Käfers, wie er es vor meine Kamera geschafft hat und was alles notwendig war, um die Voraussetzungen für ein solches Bild zu schaffen.

Im zweiten Teil berichte ich Euch vom nächsten Schritt, der notwendig ist, um so ein Bild zu erstellen. Startpunkt ist der für die Fotografie vorbereite Käfer. Es geht im Wesentlichen um die technische Herangehensweise. Warum stecken in dem Bild Segmente aus Hunderten Einzelfotos und wie arrangiert man eine ausgewogene Beleuchtung bei einem Objekt, welches nur wenige Millimeter groß ist?

Im dritten Teil geht es dann um die Bearbeitung des „Raw-Images“. Also um die Aufbereitung der Aufnahme mittels geeigneter Software.

Für das weitere Verständnis sind keine Vorkenntnisse notwendig. Weder in der Koleopterologie (Käferkunde), noch in den Bereichen Fotografie, Chemie oder Mathematik. Lediglich etwas Geduld ist notwendig, denn mein Projektbericht ist etwas länger als 160 Zeichen.

Heute gibt’s den ersten Teil.

Teil 1

Detail aus dem Hauptbild. Klick auf das Bild, um es im Vollbild zu sehen (Abb. 2).

Sternocera aequisignata ist eine Käferart aus der Familie der Buprestidae. Ausgewachsene Exemplare werden etwa 30 bis 50 Millimetern lang. Sie kommen in ganz Südasien vor, einschließlich Indien, Thailand und Myanmar.

Erwachsene Käfer haben eine kurze Lebensdauer von 1–3 Wochen, obwohl der gesamte Lebenszyklus bis zu zwei Jahre dauert.

Das Weibchen legt die Eier einzeln in die Erde an der Basis einer Wirtspflanze. Jedes Weibchen kann 5–12 Eier legen. Es dauert dann zwei Monate, bis die Larven geschlüpft sind. Die Larve hat fünf Stadien, in den ersten vier Stadien verbleibt sie drei bis vier Monate im Boden und ernähren sich von den Wurzeln der Wirtspflanze. Das fünfte Stadium befindet sich oberirdisch, bis sie zur Verpuppung wieder unter Tage zurückkehrt.

Sternocera aequisignata werden in Nordthailand, Laos und China vom Menschen als Nahrungsquelle konsumiert. Die Elytren werden auch häufig für die Schmuckherstellung verwenden. Elytren nennt man die stets aderlosen Deckflügel bestimmter Insekten. Sie sind durch stärkere Chitinisierung verdickt und durch Sklerotisierung verstärkt. Es können Zeichnungen und Strukturen auftreten, die der typischen Aderung von Insektenflügeln ähneln. Diese Strukturen sehen wir später noch im Detail.

Elytren der Sternocera aequisignata wurden übrigens schon im siebzehnten Jahrhundert in Thailand als Schmuck für Bambushütten und Bambuskörbe verwendet. Auch die Wappenkunde kennt diese Art. Von mehreren Gruppen ist bekannt (18. Jh.), dass sie S. aequisignata in ihren Wappen abgebildet hatten. Üblich sind sonst eher Löwe, Bär, Hirsch und Adler.

Detail aus dem Hauptbild, Fühler des Sternocera aequisignata. Klick auf das Bild, um es im Vollbild zu sehen (Abb. 3).

Beschaffung

Wie kommt jetzt so ein Käfer aus Asien vor meine Kamera nach Deutschland? Wie nicht anders zu erwarten gibt es im Netz zahlreiche Anbieter, welche Insekten aus fernen Ländern nach Deutschland exportieren.

Natürlich werden keine lebenden Käfer versendet, sondern bereits verstorbene. Mir ist wichtig bei der Auswahl des Lieferanten, dass dieser nicht mit geschützten Arten handelt und das die Exponate bereits fertig präpariert sind. Die Wahl fällt auf einen Lieferanten, welche ausgesuchte Käfer in Schaukästen versendet. Diese werden wohl überwiegend von Ausstellenden und Lehreinrichtungen verwendet.

Vorbereitungen

Nachdem ich die Box in Empfang genommen habe, bestand die erste Aufgabe darin, die Box vorsichtig zu öffnen (was vom Lieferanten nicht vorgesehen ist) und den Käfer aus dem Schaukasten zu lösen. Durch eine Glasscheibe zu fotografieren macht ja keinen Spaß. Und dann gibt es gleich die erste Überraschung. Das eingesetzte Präpariermaterial stinkt fürchterlich. Im Wohnzimmer riecht es wie in einem Chemielabor. Beim Lösen des Käfers aus der Box kommt auch das erste Mal das Skalpell zum Einsatz, denn die Käfer sind mit einer Klebmasse am Boden des Schaukastens befestigt.

Eingesetztes Werkzeug zur Vorbereitung des Bildes (Abb. 4).

In Abbildung 4 seht ihr das Werkzeug, welches ich für die weiteren Bearbeitungsschritte verwendet habe.

Jedes Bild von Präparaten, welches ich euch in diesem ersten Teil der Serie zeige, besteht übrigens jeweils aus mehreren Hundert Einzelbildern. Warum das zwingend notwendig ist, erfahrt ihr im zweiten Teil.

Nachdem ich jetzt den ersten Käfer ausgepackt habe, habe ich ihn auf ein Stück Holz gelegt und mit meinen üblichen Methoden, die ich zur Makrofotografie bisher verwendet habe, die ersten Bilder gemacht. Das erste Bild eines meiner sieben eingetroffenen Käfer aus Asien seht ihr in Abbildung 5.



Erste (nicht gelungene) Testaufnahme eines Käfers aus Asien (odontolabis elegans) (Abb. 5).

Wir sehen hier zur Demonstration eine Aufnahme des Exemplars der Art odontolabis elegans, später seht ihr noch eine gelungene Aufnahme. Als ich das fertige Bild gesehen habe, hatte ich unterschiedliche Assoziationen. Als erstes ist es natürlich handwerklich wirklich schlecht. Teile des Bildes sind völlig unscharf, andere direkt danebenliegende sind wieder scharf. Das Licht ist so hart, dass an einigen Stellen des Bildes keine Zeichnung mehr vorhanden ist (zum Beispiel der weiße Fleck vorne am Kopf). Holz als Untergrund lenkt vom Käfer ab, der helle Hintergrund ebenso.

Was mich aber am meisten stört, sind die ganze Verunreinigungen. Diese hellen Punkte im Bild gehören nicht zum Käfer. Das sind Pollen, Schuppen, Staub oder anderer Dreck. Und die große Frage ist nun:

Wie bekomme ich den Käfer sauber?

Ich habe Folgendes probiert:

  • Föhnen

  • Käfer in kaltem und lauwarmem Wasser / Seifenwasser schwenken

  • in Alkohol einlegen

  • mit einer ganz weichen Bambuszahnbürste “abschrubbeln”

Das hat leider alles nichts gebracht. Nun habe ich also einen wunderbar präparierten Käfer vor mir, der mit unbewaffnetem Auge auch völlig sauber und vollständig erscheint, durch den Blick des verwendeten Lupenobjektivs bei ca. 5-facher Vergrößerung aber fürchterlich verschmutzt aussieht. Tja, wars das?

Ich wusste bereits, dass das Naturkundemuseum in London einige wirklich tolle Bilder von Insekten veröffentlicht hat. Zumindest dort schien also jemand zu wissen, wie man Insekten so reinigt, dass sie zur Makrofotografie geeignet sind. Nach etwas Recherche habe ich dann herausgefunden, dass das Natural History Museum, London eine bestimmte Chemikalie nutzt, um Präparate zu reinigen. Decon 90 scheint das Mittel der Wahl zu sein. Weitere Recherchen haben ergeben, dass der eigentlich Anwendungszweck von Decon 90 die Reinigung von strahlungsbelastetem Werkzeug ist. Au weia.

Leider hat die weitere Recherche auch ergeben, dass diese Flüssigkeit in Deutschland nicht vertrieben wird, immerhin habe ich aber auch nichts dazu gefunden, dass sie hier verboten ist.

Als Hersteller habe ich camlabs (aus Cambridge, United Kingdom) ausfindig gemacht. Dort habe ich dann flugs eine Bestellung aufgegeben, £87.00 vorab überwiesen und abgewartet, was passiert.


Chemikalie zur Reinigung (Abb. 6)

Nach einer Woche kam ein großes Paket von UPS! Ganz viele Warnhinweise und, tadda, ein Kanister mit Decon 90. Sehr gut. Laut den Sicherheitshinweisen soll ich den Kontakt von Decon 90 mit nahezu allem vermeiden. Insbesondere zu Haut und natürlich Auge. Okay, darauf sollte ich achten.

Ich habe eine Lösung (20% Decon 90/ 80% lauwarmes destilliertes Wasser) angerührt und den Käfer 4 Stunden lang gebadet. Dies war eine Empfehlung aus dem Netz. Das Ergebnis seht ihr in den Abbildungen sieben und acht. Der Unterschied ist zwar signifikant, aber ich habe mir wirklich mehr erhofft. Einige grobe Verschmutzungen sind nicht mehr zu sehen, aber alles in allem sieht es nicht wirklich gut aus.

Was jedoch sehr gut funktioniert hat, ist, dass die Augen zu einem Großteil “wieder hergestellt” werden. Die orange schimmernden Zerstörungen des Auges sind verschwunden. Die Augen sehen entscheidend besser aus. Und einen weiteren positiven Effekt habe ich festgestellt: Alle Gelenke des Käfers lassen sich wieder ganz leicht mit einer Pinzette bewegen. Vorher waren die Beine völlig starr. Das ist für die Positionierung vor der Fotografie von großem Vorteil. Sobald das Präparat wieder trocken ist, sind die Gelenke inkl. Beine und Fühler wieder starr. Aber der Befall am restlichen Körper - das eigentliche Problem - ist weiterhin vorhanden. Es sieht teilweise schlimmer aus als vorher. Seht selbst:

Ich muss weiter recherchieren.


Okay, ich habe neue Informationen. Reinigung im Ultraschallbad wird für die Säuberung von Insekten oder anderen Tieren zur Präparierung oft verwendet. Ob dies auch mit decon 90 funktioniert?

Es muss also ein Ultraschallreinigungsgerät her. Dank Prime kam zwei Tage später das nächste Paket zuhause an (Abb. 9). Ich verwende die bereits bewährte Lösung und hoffe, dass nichts explodiert oder beschädigt wird. Das Ergebnis seht ihr in Abbildung 11.

Viel besser, oder? Ein guter Start für die weitere Arbeit.

Einige weitere Versuche waren noch notwendig, um zu einem noch besseren Ergebnis zu kommen. Ein wesentlicher Punkt ist die abschließende Reinigung mit Isopropanol, das vorsichtige(!) Trockenföhnen (in Ermangelung einer Wärmekammer bzw. eines Trockenraums) und das abschließende Tiefkühlen, um einen eventuellen Befall zu vermeiden. Nach einigen weiteren Fehlversuchen habe ich jetzt die für mich beste Lösung gefunden. Hier zusammengefasst mein (bisher bester) Workflow:

  • Mit einem professionell bearbeitetem Präparat beginnen

  • Das Präparat 48 Stunden in die Tiefkühltruhe legen, um eventuellen Befall (Milben etc.) abzutöten

  • P. vier Stunden in folgende Lösung einlegen: 20% Decon 90 / 80% destilliertes Wasser

  • P. mit lauwarmem Wasser abspülen

  • P. 1-2 Minuten in 99% Isopropanol schwenken, dabei das P. immer in zügiger Bewegung halten

  • P. trocknen (föhnen) und einen Tag ruhen lassen

  • P. mit der Lösung 15 Minuten im Ultraschallbad behandeln, Wassertemperatur ca. 30°C (auf keinen Fall heißer als 70°C, Explosionsgefahr lt. Gefahrenhinweise von Decon 90)

  • P. wieder mit lauwarmem Wasser abspülen

  • P. nochmals in 99% Isopropanol schwenken

  • P. trocknen (föhnen)

  • einen Tag warten

  • zwei Tage in die Tiefkühltruhe

Damit ist das Präparat fertig zur Fotografie. Das ist die Grundlage für ein gutes Foto. Wie jetzt aus dem sauberen Käfer ein gutes Bild entsteht, erfahrt ihr im zweiten Teil.

Hier noch ein weiteres Detail vom ersten Bild, ganz oben:

makellos gereinigter Fuß des Sternocera aequisignata (Stacking aus 78 Einzelaufnahmen), Klick zur Vergrößerung

 
Ulrich Kiel7 Comments