plane Lichtbrechung

 

Letzte Woche habe ich euch diese rätselhafte Osterbunterei gezeigt. Seid ihr drauf gekommen, was es ist?

Euch ist bestimmt schon mal aufgefallen, dass das Sonnenlicht auf einer Seifenblase manchmal bunt schimmert. Aber wie sieht das im Detail aus, kann man sich das mal in Ruhe ansehen, kann man davon Fotos machen?

Das ist aus verschiedenen Gründen schwierig:

  1. Der Abstand von der Kamera zum Motiv ist nicht konstant. Deshalb ist es schwierig, ein scharfes Bild zu bekommen.

  2. Die Oberfläche der Seifenblase ist rund. Somit wird selbst unter guten Bedingungen nur ein Bruchteil der Oberfläche scharf, der Rest verschwindet in der Unschärfe.

  3. Die Oberfläche ist fast durchsichtig. Die farbigen Schlieren sieht man nur ganz fein, deutlich dagegen den Bildhintergrund.

  4. Die Lichtverhältnisse sollten konstant sind, damit die Einstellungen der Kamera darauf abgestimmt werden können.

Wenn diese vier Punkte stimmen, dann müsste es gehen.

Let’s go

Der Abstand zur Kamera soll konstant sein. Die Seifenblase darf sich also nicht bewegen. Vielleicht könnte sie an irgendeinem Gegenstand kleben. Auch wäre es gut, wenn die Oberfläche plan ist und nicht rund, denn so kann ich eine größere Fläche scharf abbilden.

Im Keller habe ich so eine Manschette gefunden, die man an Wasserrohre(?) anbringt - warum auch immer. Es ist jedenfalls ein schwarzer Ring, 2 cm breit und ca. 8 cm Durchmesser. Perfekt.

Kleiner Einschub: Ich habe es erst mit einem gebogenen Draht versucht, was sich aber als keine gute Idee herausgestellt hat. Zum einen muss der Draht ja irgendwie “in der Luft” bleiben. Sobald ich ihn jedoch auf die Kanten ablegt habe, zerplatzt die Seifenhaut. Auch hat sich gezeigt, dass eine kreisrunde Form wesentlich stabiler ist, als ein geknickter Draht. Die Seifenfläche bleibt bei einer runden Fläche viel länger bestehen, als bei anderen Formen. Entscheidend für ein gutes Bild ist übrigens auch, dass der Hintergrund schwarz ist. Ein heller Hintergrund scheint sehr durch. Das lenkt dann vom Motiv ab.

Dann war da noch die Verpackung der letzten Sushi-Lieferung. Schwarzer Boden, wasserdicht, ca. 30 cm Durchmesser. Genau das, was ich suche. Ich habe den Boden des Gefäßes mit Seifenblasenflüssigkeit gefüllt und dann vorsichtig den Ring mit der Flüssigkeit benetzt. Dann habe ich den Ring umgedreht und voilà: Für einige Sekunden bildete sich darauf eine Seifenhaut (Abb. 1).

Abb. 1: Aufbau der Konstruktion im Überblick

Grundsätzlich haben wir jetzt schon mal eine plane Oberfläche auf der sich im günstigen Fall für 2 bis zu 10 Sekunden eine Seifenhaut in konstanter Entfernung zu Kamera befindet. Sehr gut! Die nächste Schwierigkeit ist, dass die Farbschlieren nur dann zu erkennen sind, wenn das Licht aus einem ganz bestimmten Winkel auf den Kamerasensor trifft. Und die Schlieren bilden sich grundsätzlich auch nicht auf der gesamten Oberfläche, sondern unvorhersehbar mal hier und mal da.


Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel

So haben wir es im Physikunterricht gelernt. Das brauchen wir gleich. Je näher die Lichtquelle an der Oberfläche ist, desto größer der Bereich der Spiegelung. Ich habe einen großen LED-Strahler nahe der Oberfläche aufgebaut, mit etwas Butterbrotpapier davor, damit man auf dem Bild die einzelnen LEDs nicht erkennt. Los geht’s.

Der Strahler bringt das Licht in einem 45°-Winkel auf die Oberfläche. Auf der anderen Seite der Oberfläche befindet sich im gleichen Winkel die Kamera (also links oben (Abb. 1), auf dem Foto jedoch nicht zu sehen, da etwas weiter entfernt). So sollte das Licht des Strahlers, welches von der Oberfläche gespiegelt wird, genau auf den Sensor der Kamera treffen.

Die nächste Erkenntnis war, dass die Seifenoberfläche gar nicht plan ist, sondern nach oben (mittig) gewölbt (so wie der Teil einer Kugel). Das verursacht gleich mehrere Probleme.

  • Erstens werden die Reflektionen der gewölbten Oberfläche aus Kamerasicht dadurch nur auf einer kleinen Fläche scharf abgebildet, da der Rest der Oberfläche ja entweder näher oder weiter von der Kamera entfernt ist.

  • Zweitens: Selbst wenn die zu fotografierende Oberfläche plan wäre, trifft das Licht der Oberfläche bei diesem Aufbau jetzt im 45°-Winkel auf den Sensor der Kamera. Das führt dazu, dass die abzubildende Fläche sich nicht in gleicher Entfernung zu Kamera befindet, sondern mit zunehmender Entfernung konstant zunimmt. Dadurch nimmt der Bereich, der scharf abgebildet wird, schnell ab.

Die negativen Auswirkungen dieser beiden Effekte sieht man gut in den Abbildungen 2 und 5.

Abb. 2, Unschärfe aufgrund variierender Entfernung

Um dies zu kompensieren, habe ich die Blende möglichst klein wählen müssen. Eine kleine Blende lässt nur wenig Licht auf den Sensor, wodurch das Bild jetzt schnell zu dunkel wird. Dazu kommt, dass sich die Schlieren doch relativ schnell bewegen. Das Bild wird also nicht nur dunkel, sondern durch die Bewegungsunschärfe auch unscharf.

Mein bester Kompromiss zwischen kurzer Belichtungszeit, kleiner Blende und niedriger ISO ist: Soviel Licht wie möglich und folgende Einstellungen:

ISO 100, Blende 9 und 1/800 Sekunde Belichtung

[Vollformatkamera canon EOS R, canon Makroobjektiv EF 100mm f/2.8L Macro IS].

Entscheidend ist auch, dass das Bild “aus der Hand” aufgenommen wird, da, wie gesagt, die Schlieren immer wieder an unterschiedlichen Stellen auf der Oberfläche entstehen und vergehen. Man muss die Kamera recht fix in die passende Position führen und somit ständig in Bewegung bleiben. Das funktioniert bei einer Montage auf einem Stativ nicht. Zwingend ist auch die manuelle Fokusmitführung. Der Autofokus funktioniert unter diesen Voraussetzung leider nicht zuverlässig. Das erfordert etwas Übung.

Da der Spaß immer schnell wieder vorbei ist, sind von meinen 431 Bildern, die ich an diesem Abend aufgenommen habe, auch zahlreiche dabei, wie in Abb. 3 zu sehen. Die Seifenhaut ist geplatzt, kurz bevor ich das Bild gemacht habe.

Nächste Hürde: Wenn der Winkel nicht genau passt, dann erkennt man auf dem Bild den Untergrund (Abb. 4, Luftblase und Reflektion des Untergrundes). Wenn alles passt, dann ergibt sich für einen Moment eine günstige Situation (Abb. 5). Die Abbildungen 1, 3 und 4 habe ich zu Demonstrationszwecken mit dem Handy erstellt. Mit der richtigen Kamera ergibt sich dann folgende Bild:

Abb 5, die erste Testaufnahme

Das sieht doch schon mal ganz ordentlich aus. Das Problem der zunehmenden Unschärfe ist hier jedoch (leider) noch gut zu erkennen. Es ist nur ein minimaler Bereich des Bildes wirklich scharf. Ich konnte die Problematik dadurch entschärfen, indem ich die Entfernung Motiv / Kamera erhöht habe und den finalen Bildausschnitt dann aus dem Bild gezoomt habe (“cropping”). Durch die größere Entfernung wird der Bereich der scharf abgebildet schnell größer.

Geduld zahlt sich aus

Viele Bilder sind unscharf oder langweilig geworden. Manchmal gab es auch gar keine farbigen Schlieren. Ab und zu jedoch ergaben sich interessante Strukturen.

Wie so oft bei abstrakten Bildern ist es auch hier so: Je länger man die Motive betrachtet, desto mehr Strukturen reimt sich unser Gehirn zusammen. Da sind Köpfe, Tiere, Landschaften…

Hier eine Auswahl meiner Aufnahmen:

Vielleicht findet ihr die Ergebnisse ähnlich interessant wie ich. Dieses kleine Projekt braucht keine große technische Ausstattung. Nur Seifenblasenflüssigkeit, Licht, eine Kamera und etwas Geduld. Im Notfall tut es auch die Kamera des Smartphones. Falls ihr es selbst probiert: Viel Erfolg!

Lust auf ein weiteres Tutorial? Hier gehts zum Käfershooting.

 
Ulrich Kiel1 Comment