Tropfentutorial

 

Abb 1: drei fallende Tropfen in schneller Folge

Hier habe ich euch meinen Kurzfilm gezeigt, der fallende Tropfen in ungefähr einer 1/40.000 abbildet. Wie so oft, war es auch bei diesem Projekt alles nicht so einfach. Aber es war spannend und hat Spaß gemacht. Für diejenigen unter euch, die sich dafür interessieren, wie solche Aufnahmen zustande kommen (können), ist dieser Blogbeitrag. Vielleicht kann er euch inspirieren, ähnliche Projekte anzugehen.

Die eingesetzte Hardware

Neben viel Geduld habe ich eingesetzt:

  • Kamera mit Makroobjektiv*, [1 in den Abbildungen 1 und 2]

  • Ein* bis vier Blitze, die mit 1/250 Sekunde mit der Kamera synchronisiert wurden [2]

  • Miops Splash [3]

  • fünf Funksender und -empfänger zur Kommunikation von Kamera zu den Blitzgeräten

  • Stativ für die Kamera* [4], Stativ für den Splash [5]

  • iPad zur Bedienung des Splash [6]

  • PC zur Kontrolle der Schärfe etc. [7]

  • Schale für das Wasser* [8]

  • Wasser, Milch und Lebensmittelfarben* [8]

  • Backblech [9]

  • farbiges Kopierpapier für den Hintergrund [10]

Das Meiste davon ist optional. Ohne die markierten (*) Dinge wird es schwierig.

Vorbereitungen

Miops Splash [3] ist ein Gerät, welches im Wesentlichen aus einer Steuereinheit, einem Plastikröhrchen und einem Ventil besteht.

Zweck des Gerätes ist, dass in reproduzierbaren Abständen Wassertropfen aus dem Plastikröhrchen tropfen und in einem zuvor definierten zeitlichen Abstand eine angeschlossene Kamera ausgelöst wird.

Miops Splash ist über Bluetooth mit dem iPad verbunden, von dem es gesteuert wird. In der App stelle ich ein, wie lang das Ventil geöffnet werden soll. Je länger, desto größer der Tropfen. Auch die Anzahl der Öffnungen (also der fallenden Tropfen) kann ich dort einstellen. Dann stelle ich noch ein, wie lang es dauert, bis das Auslöseereignis an die Kamera gesendet wird.

Jetzt fülle ich das Röhrchen und die Schale [8] bis zum Rand mit Wasser. Die Schale habe ich auf ein Backblech gestellt, damit nicht der gesamte Schreibtisch nach ein paar Durchgängen unter Wasser steht. Für den Hintergrund habe ich dann entweder schwarzes oder farbiges Kopierpapier positioniert.

Das Ganze sieht dann so aus, wie es die Abbildungen 2 und 3 zeigen.

Das Timing

So ein Tropfen fällt ganz schön schnell. Die animierte Darstellung zeigt, wie schnell das in Echtzeit aussieht.

Eine Zeitspanne von einer Millisekunde Differenz zwischen zwei Tropfen oder vom Tropfenfall zur Auslösung der Kamera führt schon zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dabei hilft auch die eingesetzte Technik nicht. Andererseits ist das ja auch gut so, sonst wären die Ergebnisse zu vorhersehbar und auch irgendwie langweilig.

Die Einstellung der Dauer vom letzten Tropfen bis zur Auslösung der Kamera ist besonders wichtig, da es bei jedem Tropfenfall nur ein Bild gibt. Grund dafür ist, dass die Szene über Blitzlichter ausgeleuchtet wird. Somit sind leider keine Serienaufnahmen eines Tropfenfalls möglich. Es ist also entscheidend, dass das Timing passt. Nach ungefähr zwei Stunden Rumprobieren, habe ich drei Settings gefunden, die vielversprechende Ergebnisse zu ergeben scheinen.

Jetzt kann ich (annähernd) reproduzierbar eine Szene produzieren, die ich jetzt nur noch fotografieren muss. Dachte ich. Ich habe dann festgestellt, dass es doch nicht so einfach ist (wie immer). Ganz entscheidend ist zum Beispiel, wieviel Wasser oben in dem verschlossenen Röhrchen ist, da die verbleibende Wassermenge den Wasserdruck verändert und das wieder die Tropfengeschwindigkeit und -dicke. Ich muss die Einstellungen in der App somit ständig nachjustieren.




Abb. 4: So schnell tropft und blitzt es in Echtzeit

So sieht ein gelungenes Bild aus. Knapp 10% aller erstellten Fotos, die ich nach eingestellten Setting erstellt habe, würde ich als gelungen bezeichnen.

Abb. 5: Zeitlicher Ablauf in der App

Im Fokus bleiben

Wie stelle ich jetzt sicher, dass sich die Tropfen, die für einen Sekundenbruchteil durchs Bild huschen, scharf abgebildet werden? Der Autofokus hilft hier nicht weiter. Meine Lösung: Manueller Fokus. Ich habe einen dünnen Stab waagerecht über die Wasserfläche gelegt (links und rechts auf dem Rand des Gefäßes [8]). Diesen Stab habe ich dann genau an die Stelle geschoben, an der der Tropfen die Wasseroberfläche berührt. Den Stab konnte ich dann bei gut beleuchtetem Raum ganz in Ruhe fokussieren. Für die Fotos habe ich den Stab natürlich wieder entfernt. Wichtig ist jetzt noch die Blende möglichst weit zu schließen, damit auch nach vorn und hinten spritzende Tropfen möglichst scharf abgebildet werden. Ich habe meist Blende F29 verwendet.

Das Lichtsetting

Viel probieren musste ich beim Lichtsetting. Wieviel Lichtquellen sind sinnvoll, wo stehen die Blitzgeräte so, dass es ein möglichst gutes Bild wird? Gute Erfahrungen habe ich nach vielen Stunden rumprobieren zum Beispiel mit folgendem Setting gemacht:

Das Hauptlicht kommt von vorne links oben (das wirkt wie eine relativ "normale" Beleuchtung). In der Natur scheint die Sonne ja auch von oben. Der "Kicker" (zweites Blitzgerät) kommt dann von rechts, knapp über der Wasseroberfläche.

Das dritte Licht kommt direkt von oben. Dieses Blitzgerät ist doppelt so weit entfernt, wie die anderen beiden Blitzgeräte und damit nur 1/4 so hell.

Ein leicht anderes Setting zeige ich in den Abbildungen 2 und 3.

Wenn der Hintergrund nicht schwarz sein soll, dann beleuchtet der vierte Blitz den Hintergrund. Der Blitz wird seitlich (so dass er auf dem Bild nicht sichtbar ist) platziert und leuchtet das farbige Blatt Papier aus, welches ich im Hintergrund aufgebaut habe.

Der Ablauf

Der Ablauf ist nun wie folgt.

  1. In der App auf dem iPad starte ich den Gesamtvorgang.

  2. Über ein Kabel wird das Startsignal zum Miops Splash gegeben.

  3. Das Ventil des Miops Splash wird für die eingestellten Zeiten in den definierten Abständen geöffnet und geschlossen (Ein Beispiel zeigt Abb. 5)

  4. Nach der definierten Zeit wird nach den Tropfenfällen über ein Kabel der Auslöser der Kamera bedient.

  5. Die Kamera löst aus und gibt für 1/250 Sekunde den Blick auf den Bildsensor frei.

  6. Innerhalb dieser Zeitspanne wird über einen Funksender an die (2-4) Blitzgeräte das Signal gesendet, dass diese mit 1/128 Leistung zu einem bestimmten Zeitraum synchron(!) gezündet werden sollen.

  7. Die Blitze senden gleichzeitig für ca. 1/40.000 Sekunde soviel Licht, dass das Bild bei der eingestellten Blende (F29) und dem eingestellten ISO-Wert (800) ansprechend ausgeleuchtet wird.

  8. Nach der 1/250 Sekunde wird das erstellte Foto von der Kamera per Kabel auf den Laptop kopiert.

  9. Der Laptop zeigt das Bild an, so dass ich beurteilen kann, wie es geworden ist.

Dieses Vorgehen habe ich im Laufe der letzten Wochenenden dann etwa 2.500 mal wiederholt. Immer mal mit etwas veränderten Lichtsettings, Tropfzeiten, Wartezeiten und unterschiedlich gefärbtem Wasser. Zur weiteren Bearbeitung habe ich die Bilder dann auf den "Hauptrechner" kopiert. Dort habe ich diese aufbereitet.

Belichtungszeit ermitteln

Für alle Aufnahmen dieses Projekts habe ich den Raum abgedunkelt, so dass die eigentliche Belichtungszeit, die ich an der Kamera eingestellt habe, fast egal ist. Das Bild wird nur in dem Zeitraum erfasst, wenn der Raum von den Blitzgeräten beleuchtet wird. So kann ich die Beschränkung umgehen, dass moderne Kameras nur mit minimal 1/8.000 Sekunde belichtet werden können.

Doch wie lang leuchtet so ein Blitz? Es ist erstaunlich: Das ist unklar.

Ein kurzer technischer Ausflug

Blitzgeräte (Systemblitze) können in ihrer Leistung gedrosselt werden. Eine volle Leistung entspricht der Einstellung 1/1, die halbe "Leuchtkraft" gibt er mit der Einstellung 1/2 ab. Wichtig ist jetzt jedoch, dass der Blitz bei dieser Einstellung nicht halb so hell, sondern nur halb so lange leuchtet! Technisch wird der Kondensator erst voll geladen, dann aber durch eine Thyristorregelung daran gehindert, ungehindert abzubrennen. Bei der von mir verwendeten Einstellung 1/128 wird die genaue Abbrenndauer vom Hersteller (canon) jedoch nicht angegeben. Die Frage der Abbrenndauer haben sich auch schon andere Fotografen gestellt. Einige (der veröffentlichten) Anfragen bei canon wurden mit der Antwort "Betriebsgeheimnis" beantwortet. Warum canon solche Angaben nicht veröffentlicht, ist mir unklar.

Einige Nutzer haben versucht die Abbrenndauer mit Eigenmitteln zu schätzen. Zum Beispiel hat jemand mit Hilfe von Aufklebern auf Ventilatorflügeln versucht, die Abbrenndauer zu berechnen. Grundlage war die Anzahl der zurückgelegten Runden des Ventilator in der Zeit, in der der Blitz ausgelöst wurde. Bei bekannter Umdrehungszahl wurden Annäherungswerte errechnet / geschätzt. Aber es geht auch genauer:

Es gibt etablierte Verfahren zur Messung von Abbrenndauern von Blitzgeräten. Aber auch hier ist es nicht ganz trivial. Die erste Schwierigkeit ist, zu definieren, was man als "der Blitz leuchtet" zählt. Denn die Leuchtdauer geht ja nicht von 1 direkt auf 100%. Üblich sind hier die beiden Varianten T0.1 und T0.5. T0.1 bedeutet, dass die Messung der Leuchtdauer beginnt, wenn der Blitz 10% der angegebenen Leistung erreicht. Die Leuchtdauer endet, wenn der Blitz "nur noch" 10% der angegebenen Leistung hat. Bei T0.5 ist der Wert 50%.

Aus diesen Messungen ergibt sich laut dieser Quelle Folgendes:

  • 1/1.050 s bei (voller) M 1/1-Leistung

  • 1/1.100 s bei M 1/2-Leistung

  • 1/2.700 s bei M 1/4-Leistung

  • 1/5.900 s bei M 1/8-Leistung

  • 1/10.900 s bei M 1/16-Leistung

  • 1/17.800 s bei M 1/32-Leistung

  • 1/32.300 s bei M 1/64-Leistung

  • 1/41.600 s bei M 1/128-Leistung

Die Belichtung liegt also nach diesen Berechnungen bei ungefähr 1/41.600 Sekunde. Es gibt aber auch andere Rechenverfahren, die auf andere Ergebnisse kommen.

Ich finde es faszinierend, dass eine kabellose Synchronisierung von der Kamera hin zu den vier Blitzgeräten so exakt funktioniert. In fast genau dem gleichen Moment zünden alle angeschlossenen Blitzgeräte über eine annähernd gleiche Zeitspanne. Es bleibt nicht viel Zeit für Toleranzen. Das klappte übrigens auch nicht immer. Bei ca. 20 Bildern von meinen 2.500 Versuchen ging mit der Synchronisierung irgendetwas schief, die Blitze wurden asynchron gezündet.

Bildbearbeitung

Das war relativ einfach. Ich habe im Wesentlichen den Bildausschnitt etwas angepasst, die Mikrokontraste verstärkt, die Struktur verstärkt, die Klarheit verringert, das Bildrauschen entfernt und die störenden Tröpfchen und Reflektionen der Blitzgeräte entfernt. Zum Schluss habe ich das Colorgrading durchgeführt und das Bild nochmal final geschärft. Meine üblichen Werkzeuge dazu sind Lightroom CC classic und Photoshop CC. Zum Schärfen ist für mich in letzter Zeit der Topaz Sharpen AI (als Photoshop-AddIn) von Topaz Labs die beste Wahl. Dieses Werkzeug leistete auch bei diesem Projekt sehr gute Arbeit.

Das Ergebnis

In diesem Kurzfilm habe ich die besten Ergebnisse zusammengestellt und mit für mich passender Musik arrangiert. Ich hoffe, er gefällt euch. Und falls jemand ein Bild für die Wand haben möchte, schreibt mir einfach eine kurze Nachricht.

Und hier das Ergebnis als Kurzfilm mit passender Musik: Wassertropfen in 1/40.000 Sekunde




































 
Ulrich Kiel1 Comment